Was anfangen mit einer stillgelegten Weberei?

Neben der Sanierung des Fabrikgeländes, das im Verlauf der 1990er Jahre unter dem Motto „Wohnen am Wasser“ zu einem innenstadtnahen Wohnviertel fortentwickelt wird, stellt sich für die Stadt Nordhorn ein weiteres Problem: Der nur durch eine sinnvolle Umnutzung mögliche Erhalt der denkmalgeschützten Industriebauten. Während in die ehemalige Povel-Verwaltung Arztpraxen, Steuerberater und Rechtsanwälte einziehen und der 1906 errichtete Spinnereiturm seit 1994 zu einem Stadt- und Textilmuseum umgerüstet wird, bleibt die Zukunft der im Sprachgebrauch der Nordhorner mittlerweile als „Alte Weberei“ titulierte Webereihalle lange ungewiss.

Baukräne und Rohbauten. 1991 entstand auf dem Povel-Sanierungsgelände östlich der Alten Weberei ein erstes Wohnquartier. Foto: Werner Westdörp, Grafschafter Nachrichten

Ein erster Hoffnungsschimmer zeichnet sich ab, als der Landkreis Grafschaft Bentheim 1989 in die Planungen für ein Historisches Kreismuseum einsteigt. Als Standort schlägt die Stadt Nordhorn 1990 die „Alte Weberei“ vor. Angesichts der schieren Größe der Halle sehen die Pläne zusätzlich den Einzug der aus allen Nähten platzenden Euregio-Stadtbücherei und der im Konzert- und Theatersaal der Stadt ebenfalls räumlich sehr beengten Städtischen Galerie vor. Die Planungen müssen allerdings zu Jahresbeginn 1993 zu den Akten gelegt werden. In Sachen Kreismuseum bevorzugt eine Mehrheit der Kreistagsmitglieder den Standort „Altes Amtsgericht“ im benachbarten Neuenhaus. In Sachen Stadtbücherei scheut die Stadt die millionenschweren Ausgaben eines kompletten Umzugs und der damit verbundenen Neueinrichtung. 1993 wird die Stadtverwaltung mit der Entwicklung eines alternativen Konzepts für ein Kulturzentrum in der „Alten Weberei“ beauftragt.

Die entscheidende Frage: Umnutzung oder Abriss?

Mit Ausnahme des zuständigen Kulturdezernats hält sich die Begeisterung der Stadtverwaltung in engen Grenzen. Erschwerend kommt hinzu, dass die einst größte Textilfirma der Stadt, das Textilunternehmen NINO 1993 einen Vergleich anmeldet und 1994 in Konkurs geht. In der einstigen Textilstadt ist der Baumwollfaden gerissen. Die Zukunft der Stadt erscheint ungewiss. Angesichts einer zeitweise hohen Arbeitslosigkeit verbreitet sich eine depressive Stimmungslage. Angesichts fehlender Mittel für einen Umbau der „Alten Weberei“ schlägt die Stadtverwaltung im Juni 1996 den Abriss der Fabrikhalle vor. Ein Vorschlag, der im Vorfeld der ebenfalls 1996 anstehenden Kommunalwahlen unerwarteten Protest in weiten Teilen der Öffentlichkeit auslöst.

GN-Karikatur 1996 – „Kulturpolitik mit der Abrissbirne“ lautete die Unterzeile zu einer Karikatur, die im Juni 1996 als Kommentar in den Grafschafter Nachrichten erschien.