Ein Stück Grafschafter Musikvielfalt
Die Grafschafter Jugendkultur war schon immer geprägt von einer lebendigen und alternativen Musikszene. Die jungen Bands probten in den Jugendhäusern der Umgebung und traten an Wochenenden dort auf, auch berühmte Gesichter wie Udo Lindenberg oder die „Toten Hosen“ in der Scheune in Nordhorn. Doch inzwischen sind die jungen Bands von damals älter geworden und es fehlt an Nachwuchs. Über den Grund für den Rückgang der Bandszene lässt sich nur mutmaßen. Treffpunkte für junge Musiker wurden geschlossen und keine neuen öffneten. Dadurch fehlt es nicht nur an Proberäume, sondern auch an lokalen Konzertmöglichkeiten. Der nächsten Generation mangelt es Inspiration und Vorbildern, um selbst in die Bandszene einzutauchen. Auch die Corona-Pandemie half da nicht. Um einen weiteren Rückgang der Bandkultur zu verhindern, haben Manuel Evers und Nele Overhageböck vom Kulturzentrum Alte Weberei sowie Dirk Becker und Stephan Faber von der Jugendpflege des Landkreises Grafschaft Bentheim das „Povel Musikwerk“ ins Leben gerufen.
“Das Ziel des Projektes ist es junge Musikschaffende zusammenzubringen und ihnen Angebote zur Weiterentwicklung anzubieten. Darüber hinaus möchten wir ein Konzert mit Grafschafter Bands realisieren, um so den Kulturdurst der jungen Menschen im Landkreis zu stillen, der besonders durch die Corona-Pandemie entstanden ist”
Manuel-Maurice Evers, Geschäftsführung Kulturzentrum Alte Weberei Nordhorn
So entstanden zwei Workshops für junge Musikschaffende am Samstag, den 19.03. in der alten Weberei. Es teilten Musikexperten der Szene ihr Wissen und Können mit den jungen Teilnehmerinnen. Den Workshop für funktionales Stimmtraining leiteten Suzen Berlin, der Frontfrau der Progressive-Altrock-Band „Valid blU“ und Doro Eschweiler, Sängerin und Vokalcoach.
Die Teilnehmer*innen konnten sich in einem Training im Bereich Performance, Ausdruck, Selbstbewusstsein und ihrer Sängerpersönlichkeit verbessern. Sebastian Lanser, ein studierter Schlagzeuger und Mitglied in den Metal-Bands „Panzerballett“ und „Obsidious“ ist laut einem Teilnehmer „eine echte Größe in der Szene“ und führte den Workshop zu „Technical Weapons for Modern Metal Drumming“ durch. Er zeigte den Teilnehmenden verschiedene Fuß- und Handtechniken, um besonders Schnelligkeit und Geschick zu trainieren.
Alle Teilnehmenden waren zwischen zwölf und 32 Jahren alt, die Gruppen waren heterogen gemischt, das wude besonders durch die Kompetenzen sichtbar. Manche Schlagzeuger*innen brachten viele Jahre an Erfahrung mit, andere spielen seit ein paar Jahren in ihrer Schulband. Auch bei den Sängerinnen und Sängern gab es einige, die schon lange singen, eine sogar nebenberuflich.
Am Samstag (19.03.2022) trafen ab kurz vor neun die Teilnehmer*innen ein und wurden vom Team des Projektes und den Musikexperten begrüßt. Dann teilten sich die beiden Workshopgruppen auf und starteten mit einer Vorstellungsrunde und Aufwärmübungen. Die Schlagzeuger*innen übten sich an der Doppelfußmaschine, ein Teil des Schlagzeugs, das hauptsächlich in der Metal-Szene benutzt wird und viel Praxisübung braucht. Zu Fußtechniken kamen noch Handtechniken, dafür wurden leisere Übungspads benutzt. Die Sängerinnen und Sänger fingen mit professionellen Atem- und Stimmübungen an. Dazu kam Gesangstheorie als Einführung in das Instrument „Stimme“. Um sich an konzertartige Situationen zu gewöhnen und auf der Bühne lockerer zu werden, sangen die Teilnehmer*innen einzeln vor der Gruppe vor. Durch die ausgelassene Atmosphäre in den Workshops hatten die Musiker*innen kein Problem aus sich rauszukommen und etwas Neues zu probieren. Um zwischendurch Luft zu holen, gab es immer wieder kurze Pausen, in denen sich alle unterhielten, vernetzten oder einfach Ping-Pong spielten. In der Mittagspause gab es Essen vom Grafschafter Brauhaus, währenddessen fanden sich schnell Gruppen zusammen und tauschten sich aus. Manche schnappten sich Tischtennisschlager und spielten eine Runde. Nachmittags tauchte der Gesangskurs in die Metal-Welt ein – mit einem Training in „Screaming und Growling“, was die Sängerin Doro als „Rumschreien für Anfänger“ bezeichnete. Ausklingen ließen es beiden Gruppe mit einer Frage- oder Feedbackrunde. Der Schlagzeugprofi Lanser gab Einblicke in die Musikwelt, Touren und sein „wahres Leben“ als Musiker zum Besten. Die Schlagzeugfans unter uns erfuhren nicht nur etwas Neues über ihr Instrument, sondern auch über das Leben in der Musikbranche.
Abschlusskonzert mit Bandvielfalt
Der zweite Teil des Povel Musikwerkes, das große Live-Konzert, fand am Samstag, den 26.03.2022 statt. Hier hatten lokale Künstler*innen die Möglichkeit endlich wieder vor Publikum zu spielen und das mit professioneller Technikausstattun. Zusätzlich wurde der Saal 1 eigens für eine passende Konzert-Atmosphäre umgebaut, sodass Besucher*innen direkt gegenüber von der Bühne ihre Getränke bestellen konnten.
„zusätzlich wird vom Auftritt am Abend ein professionelles Musikvideo von der Firma “Lightconcept” gefilmt, mitgeschnitten und den jeweiligen Bands im Nachgang kostenlos zur Verfügung gestellt.”
Kulturzentrum Alte Weberei Nordhorn
Nachdem Stephan Faber von der Kreisjugendpflege einen Willkommensgruß an das Publikum richtete und den Sponsoren des Projektes dankte, eröffnete die Singer & Songwriterin „Lilhooman” mit ihrer gefühlvollen Stimme den Abend. Sie sang mit ihrem Lied „Warum du?“ für ihre verstorbene Schwester und sich selbst direkt in die Herzen des Publikums. Anschließend trat der Musiker „Tierzahn” auf, der mit E-Gitarre und Loopstation dem Publikum einheizte. Die Überraschung des Abends verkörperte eine neu gegründeten Band aus drei Freunden um den Solokünster “Tierzahn”, die Cover- und auch eigene Songs präsentierte. Sie konnten nach ihrem Auftritt einen Anschlussgig im PapperlaPub in Nordhorn einheimsen. Die Band “Bittersweet” setzte auf einen Mix aus Rock, Latin und Jazz und sorgte durch kleine Zwischengespräche mit dem Publikum für gute Stimmung. Leider konnten die zwei Bands „The Drugs Company“ und „Riot At The Monshine Bar“ kurzfristig nicht am Konzert teilnehmen, da am Morgen zwei Bandmitglieder positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Die anwesenden Bands konnten somit von etwas mehr Spielzeit profitieren.
Das Finale des Abends gestaltete die Band „Lightpuzzle” mit dem Kommetar des Frontsängers Olly Alfers:
“Jetzt habt ihr wohl erstmal einen Kulturschock bekommen!”
Olly Alfers, Frontmann der Band Lightpuzzle
, denn mit dem alternativen Mix aus Rock, Grunge und Indie Rock konnte keiner im Publikum mehr auf den Stühlen sitzen bleiben. “Viele fingen mit Headbanging an, das war klasse!”, heißt es vonseiten des Kulturzentrums Alte Weberei. Bis ca. 23:30 Uhr performten „Lightpuzzle“ auf der Bühne, nach mehreren Rufen mit Wünschen um Zugabe, wurde beim Endspurt noch lange vor der Bühne getanzt. Die Bands wurden während ihrer Auftritte von dem Team von Lightconcept professionell und aus mehreren Perspektiven mitgefilmt, diese werden den jeweiligen Bands im Nachgang kostenlos zur Verfügung gestellt.
“Insgesamt war die Atmosphäre sehr stimmig und euphorisch. Besonders zum Schluss wurde auch immer mehr getanzt -Wir sind also sehr zufrieden und glücklich, dass trotz der kurzfristigen absagen zweier Bands, sie Stimmung so ausgelassen war.”
Manuel-Maurice Evers, Geschäftsführung Kulturzentrum Alte Weberei Nordhorn
Auch die Musikschaffenden begeisterte die beflügelte Stimmung des Abends. Ein Schlagzeuger meinte: „ich kriege das Lächeln nicht mehr aus dem Gesicht!“, nachdem sich seine Band einen weiteren Gig im PapperlaPub in Nordhorn sichern konnte. Für alle Künstler*innen war es der erste Auftritt seit Pandemiebeginn. „Ich bin so froh wieder auf der Bühne zu stehen“, sagte auch die Sängerin „Lilhooman“. 180 Besucher*innen waren am Abend zu Gast in der Alten Weberei, das Projekt soll im nächsten Jahr nochmal stattfinden und junge Nachwuchsbands unterstützen. Die Teilnehmer*innen (und auch wir) hatten die Möglichkeit von Musikexpert*innen zu lernen, das neues Wissen anzuwenden und sich untereinander kennenzulernen. Es haben sich neue Bands zusammengefunden und die jungen Musiker*innen konnten sich untereinander austauschen, neue Freundschaften küpfen und etwas ins Rollen bringen, was die Bandkultur in der Grafschaft angeht. Das Projekt soll auch noch in den kommenden Jahren eine Bühne für junge Musiker*innen der Region bieten, um so die Musikvielfalt der Grafschaft zu erweitern.
Das Povel Musikwerk der Alten Weberei wurde großzügig vom Landkreis Grafschaft Bentheim, der grafschafter Sparkassenstiftung und der emsländischen Landschaft gefördert.